Techno Livestyle – Part 3 / 1999 – 2007
Die neue Heimat – Berlin
In Berlin entwickelte sich gerade eine rege Szene rund um eine neue Unterart des Techno: Electroclash – wie ihn „Fischerspooner“ mit Elementen aus Punk, New Wave und Elektro zelebrierte. Clubs wie das WMF und Cookys waren mit DJ Hell – der bereits in den 90er Jahren sehr erfolgreich die angesagtesten Clubs bespielte – und dem Dj Duo Highfish und Diringer die auffälligsten Akteure dieser Weiterentwicklung des Techno. Alternativ gab es Clubs in coolen Locations im industrial Stil wie das Maria oder im Pfefferbergs der Subground, Pfefferbank und die Anna Bar.
Als Neuberliner, jetzt auch mit eingetragenen Hauptwohnsitz und einer gehörigen Portion an Neugier, trieb es mich in sämtliche Szeneclubs und Bars. Dennoch sagt mir mein Bauchgefühl, dass etwas Fundamentales fehlte, ein Gefühl wie ich es aus den Clubs der Anfänge kannte, wo ein Großteil der Gäste aus der queeren, schwulen Szene kam. Gerade in Berlin Mitte war eine recht posche Energie zu spüren. Es wurde ohne Ende gebaggert, gedisst und man nahm sich megawichtig. Auf den Toiletten wurde Champagner ausgeschenkt, um einer Dekadenz zu frönen, die parallel zum Ausverkauf von Berlin Mitte lief. In der Zeit von 2003 – 2008 ließ die Schließung zahlreicher populärer großer Clubs in Berlin Mitte und Friedrichshain nicht lange auf sich warten. Die Gentrifizierung wurde spürbarer.
Es wurde aber auch am Puls der Zeit vorbei geplant. Vereinzelt haben Veranstalter auf Ihr Bauchgefühl gehört, eine Wandlung vollzogen und sich auf Speisegastronomie spezialisiert. Zu guter Techno- und House Musik konnte man in Berlin Mitte nur noch vereinzelt ausgehen. Zum Beispiel wenn Veranstalter mit einem außergewöhnlichen Line UP die Szene zum Ausgehen mobilisierte.
Meine besten Berliner Freunde waren ebenfalls viele Jahre in den 90ern auf Rave Around Germany Tour unterwegs und begleiteten als Crew DJ Tanith zu seinen deutschlandweiten Gigs. Ich integrierte mich schnell in der Berliner Club-Szene und bekam im Herbst 1999 den Tipp, den Gay Club Ostgut am Ostbahnhof zu besuchen. Das Ostgut wurde von den Betreibern des heutigen Berghain gemacht und befand sich auf einem großräumigen Gelände unweit von Ben de Biels Club Maria und hinter dem Club Casino welcher von den Betreibern des Suicide Club gemacht wurde.
Schon der Weg zum Ostgut war wesentlich spannender als der übliche Gang zu den Partys in Berlin Mitte. Eine Mischung aus Niemandsland, gepaart mit großen Pfützen, fußballfeldgroßen Baulücken und alten Lagerhäusern der Bahngesellschaft, direkt vor dem Gleisbett des S-und Zugbahnnetzes und zwischen der Eastside Galerie. Heute thront in diesem Areal ein neuer Wirtschaftsstandort Berlins mit der Mercedes Benz Arena im Zentrum.
Mit der Hoffnung in meinem Kopf, dass es endlich wieder etwas vielversprechenderes als das Berlin Mitte Club Lounge American Express Ficken Feeling zu entdecken gab, begab ich mich nach einer Barsession auf den Weg in den brachen unbewohnten Teil von Friedrichshain. Als ich in der kurzen Schlange um 4:00 Uhr morgens vor dem Ostgut stand, überkamen sie mich endlich wieder: das intensive Gefühl aus Hoffnung, Ohnmacht und der Neugier auf das unentdeckte Abenteuer, wie bei meinem ersten Besuch im Technoclub Men´s Factory in Hannover.
Ein markanter Türsteher in Bomberjacke, Boots und längerem Haar mit sympathischen Berliner Dialekt, den ich auf den ersten Moment nicht so richtig in Einklang mit seinem martialischen Look bekam, sowie ein kräftiger großer Ex-GI (people of colour) machten die Tür vordergründig. Ich erkannte den Türsteher als einen Gast des Clubs Planet wieder, der Anfang der 90´ für seine individuelle Ausrichtung mit einem Großteil an queerem Publikum einen exzentrisch atmosphärisch schönen Techno-Zauber entfachte. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Clubs aus Berlin Mitte war, dass zu diesem Moment noch ein Hülle des verborgenen, dem Mainstream unbekannten über dem Club Ostgut lag. In den Mitte-Clubs drängelten sich die Massen bis in die frühen Morgenstunden vor dem Einlass und hier stand nur eine kleine Runde verspäteter Eingeweihter aus dem Techno-Szene-Kosmos Berlins, die noch ein Tänzchen oder auch mehr zelebrieren wollten. Techno wurde hier wieder z.B. von DJ Andre Gallutzi in seiner rauen puristischen Machart gespielt.
Als ich in der kurzen Schlange um 4:00 Uhr morgens vor dem Ostgut stand, überkamen sie mich endlich wieder: das intensive Gefühl aus Hoffnung, Ohnmacht und der Neugier auf das unentdeckte Abenteuer, wie bei meinem ersten Besuch im Technoclub Men´s Factory in Hannover.
Circa ein Jahr später mit der Öffnung der Panoramabar und des Gartens hielt Minimal Techno und Tech House, wie vom Label Perlon oder wie auf DJ Ata´s Label Compilation Famous When Dead Einzug in die obere Ebene des Ostgutes und in die Herzen der Tänzer*innen. So wurde das Ostgut bis zu seinem Ende 2003 zu einem meiner Lieblingsclubs und aus dieser Zeit sind herzliche Freundschaften entstanden die auch heute noch innig gepflegt werden. Nach drei Jahren intensiver Szene Kultur Erkundung wahr es an der Zeit auch selbst wieder zum Akteur zu werden. Ich spürte diese innere Unruhe zu viel Energie hatte sich aufgestaut und die mußte raus.I
In Berlin spielte ich House Music und Tech House zunächst auf Privatpartys in Wohnungen. So war auf einer der Partys in einem großzügigem Altbau im Schöneberg unweit des Metropol (Nollendorfplatz) auch ein DJ und Mitarbeiter aus dem Techno Club Tresor eingeladen. Rene lud mich am Ende der Party ein, sein geplantes Afterhour DJ Set im Tresor als Gast DJ zu begleiten. Ich Idiot lehnte ab, wollte lieber an diesem Abend meine zukünftige Freundin aus Hamburg kennenlernen, mit der ich dann auch einige Jahre sehr viel Spass hatte und eine ausgiebige Zeit im Hamburger Schanzenviertel hatte, so gesehen kein Idiot.
Meine Bemühungen, nochmals einen Gig über den besagten Kontakt zum bekommen, verliefen ins Leere. Die Tresor-Tür war wieder zu. Parallel zum Auflegen ging ich in Berlin wieder auf die Schule, um meine Fähigkeiten als Friseur weiter auszubilden.